Buntes Nein zu rechter Gesinnung
Berchtesgaden – Rund 300 Teilnehmer haben am Samstagnachmittag im Zentrum Berchtesgadens gegen rechte Gesinnung demonstriert. Unter dem Motto »Wir sind die Brandmauer« trafen sich politische Vertreter auf Einladung des Vereins »Berchtesgaden gegen Rechts«, um der Alternative für Deutschland (AfD) entschiedenen Protest entgegenzusetzen. Klar ist dabei: Eine Zusammenarbeit mit der nach Umfragen aktuell zweitstärksten Partei lehnen sie geschlossen ab.
Das Wetter spielte den Veranstaltern vom Verein »Berchtesgaden gegen Rechts – für Vielfalt und Demokratie e.V.« sichtlich in die Karten: Bei Sonnenschein kamen viele Demonstranten, zahlreiche Familien samt Kindern auf dem Weihnachtsschützenplatz zusammen. Sie folgten dem Aufruf, »Antidemokraten, Rassisten, Faschisten und die AfD« nicht zu tolerieren. »Es ist längst offensichtlich, dass die AfD antidemokratisch und in Teilen sogar offen faschistisch ist«, betonte Norbert Egger.
Viele Teilnehmende hatten Plakate und Banner dabei, darunter eine vier Meter lange »Brandmauer« aus bunt bemaltem Papier. »Keine Nazis in die Regierung« stand auf einem Schild, »SchMERZgrenze überschritten« auf einem anderen. Zu lesen war auch »Menschenrechte statt rechte Menschen« oder »Wir alle sind bunt«. Die Berchtesgadener Polizei war mit mehreren Einsatzkräften vor Ort und meldete anschließend: »Alles verlief ruhig. Vorfälle gab es keine«, wie ein Polizeisprecher auf Nachfrage bestätigte.
Anna Stanggassinger, Co-Vorsitzende von »Berchtesgaden gegen Rechts – Für Vielfalt und Demokratie e.V.«, zeigte sich ernüchtert: »Die CDU war mal ein Bollwerk gegen die AfD. Heute kalkuliert man dort anscheinend mit deren Stimmen.« Eine Demokratie sei schon lange kein Selbstläufer mehr, mahnte Stanggassinger: »Haltung zeigen, aufstehen, auf keinen Fall schweigen – sonst verraten wir unsere Werte und lassen die Brandmauer bröckeln.« Deutliche Worte fand auch Christian Viefhaus von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten der Kreisvereinigung Traunstein. »Die Fehler der Vergangenheit dürfen sich nicht wiederholen, wenn die neuen Faschisten heute wieder von Deportationen träumen.« Er erinnerte an 80 Jahre Auschwitz, sprach von der »industriellen Ermordung von Menschen« und warnte davor, die Geschichte je zu vergessen. »Friedrich Merz‘ Abstimmung vergangene Woche fühlt sich wie Verrat an«, sagte Viefhaus in Bezug auf den AfD-Beifall für den CDU-Fünfpunkteplan zur Migration und die anschließende Abstimmung zum Zustrombegrenzungsgesetz. Auf die CDU könne man nicht mehr setzen. Demonstrationen allein würden Faschismus zwar nicht verhindern, aber man müsse »Schulter an Schulter« dagegenstehen. Unter lautem Beifall forderte er: »Ein Verbotsantrag der AfD mit ihren menschenverachtenden Diskursen ist wichtiger denn je.«
Hans Jürgen Reiner vertrat währenddessen FW-Landtagsabgeordneten Michael Koller, der sich entschuldigen ließ. Reiner, Bundestags-Direktkandidat der Freien Wähler im Wahlkreis Traunstein-Berchtesgadener Land, befürwortet jedoch kein AfD-Verbot. »Dadurch würde der Krisenmodus noch mehr angefeuert«, glaubt er. Einen politischen Gegner einfach vom Spielfeld zu drängen, sei keine Lösung. Vielmehr setze er auf Sachargumente und offene Debatten. Dass es ohne eine Anpassung der Migrationspolitik nicht weitergehen könne, unterstreicht er mit Kritik am »Bürokratismus der Ausländerbehörden«. Reiner verweist darauf, dass Deutschland historisch immer »ein Volk der vielen Kulturen« gewesen sei und Ausgrenzung deshalb keinen Platz haben dürfe.
Er bedauerte zugleich die relativ geringe Beteiligung, die ihm angesichts von etwa 25 000 Einwohnern im Talkessel »recht wenig« vorkam. Seinem Appell nach brauche es mehr Menschen, die auf die Straße gehen: »Wir paar Hanseln werden es nicht reißen.«
Anstelle des Grünen-Kreispolitikers Dr. Bartl Wimmer sprach Grünen-Direktkandidatin Ulrike Schweiger. Mit Blick auf die Migrationsdiskussion mahnte sie: »Nicht splitten, sondern kitten.« Immer mehr »Parolen des Hasses« richteten sich gegen Menschen mit Migrationshintergrund. Die Bundestagsdebatte kurz nach dem Holocaust-Gedenktag bezeichnete sie als »Debatte ohne Anstand« und zitierte einen Song der Musikerin Sarah Connor: »Alles, was das Übel braucht, sind die untätigen Menschen.« Statt einer Brandmauer solle man eine »Stützmauer« errichten, um gemeinsam Lösungen zu schaffen.
Dr. Bärbel Kofler, SPD-Bundestagsabgeordnete und ebenfalls Direktkandidatin im Wahlkreis Traunstein-Berchtesgadener Land, kritisierte »menschenverachtende, rechtsradikale Positionen und Deportationspläne«, die sie als Teil des AfD-Programms sieht: »Hass, Ausgrenzung und Wut führen zu keiner Lösung.« Nur mit seriösen Argumenten könne man in der Suche nach guten Kompromissen punkten. Sie sprach von einer »tiefen Schande«, dass Friedrich Merz im Bundestag mit Unterstützung der AfD agierte. »Mit Stimmen der Faschisten«, so Kofler, seien Beschlüsse durchgekommen – begleitet von »feixenden, verhöhnenden Gesichtern«. Das Ganze habe eine beängstigende Atmosphäre geschaffen.
Ungeachtet unterschiedlicher Ansichten zum AfD-Verbot waren sich die Redner in einem Punkt einig: »Ein Zeichen gegen rechts zu setzen«, bleibe unerlässlich, egal ob es um Protest auf der Straße oder klare Parteipositionen im Land- und Bundestag gehe. Ein Zusammengehen mit der AfD schließen alle aus.
(Kilian Pfeiffer)