Berchtesgaden – Es war ein Musikabend mit Hindernissen, der aber letztlich einen mehr als guten Verlauf nahm. Das vom Verein »Berchtesgadener Hut« im Kleinen Saal des AlpenCongress organisierte Konzert mit drei heimischen Bands zeigte, dass die Berchtesgadener Musikszene lebt wie selten zuvor.
Auch wenn das Publikumsinteresse mit nur rund 60 Besuchern zu wünschen übrig ließ, hatten die und auch die Interpreten selbst (»Hahndorf Ensemble«, »Lässlig Project« und »Das Konglomerat«) ihren Spaß. Eigentlich hatte man an diesem Abend auch die Erich Lindenthaler Band erwartet. Der Salzburger hatte für die Neubesetzung seiner Band zahlreiche Musiker aus Berchtesgaden gewinnen können. Doch die hatten dann doch frei an diesem Abend, nachdem der Bandleader kurzfristig erkrankt war und der Auftritt abgesagt werden musste. Organisator Jakob Palm hatte erst am selben Tag davon erfahren und musste schnell nach einer Alternative suchen. Und was lag näher, als dass der »Chef« selbst zur Gitarre greift? Immerhin hatte Palm mit der neuen Formation »Lässlig Project« um Bandleader Alexander Lässle zuvor bereits fünf erfolgreiche Bandproben absolviert. Für einen Auftritt sollte es reichen, dachte sich Palm und behielt recht.
Unterstützt von Multitalent Tassilo Neugebauer, der nicht nur das Keyboard bediente, sondern auch für die gesamte Technik verantwortlich zeichnete, und von Maxi Nusser am Cajon (Schlaginstrument in Form einer Holzkiste), rockte das Quartett mit viel Power los. Das Publikum freute sich 40 Minuten lang über Rhythmus-geladenen Indie-Rock, dem vor allem die leidenschaftliche, energiegeladene Stimme von Alex Lässle ihren Stempel aufdrückte.
Als Opener hatte zuvor bereits das »Hahndorf Ensemble«, das zu drei Vierteln aus Berchtesgadener Schnitzschülern besteht, seinen Auftritt. Auch der war bereits auf der Kippe gestanden. Denn nur zwei Stunden vor Konzertbeginn war beim Soundcheck plötzlich der Kontrabass von Bassist Johannes Götz in seine Einzelteile zerfallen. Man schaffte es tatsächlich rechtzeitig, das Instrument wieder zusammenzusetzen – auch wenn die Musiker der Sache nicht so ganz trauen mochten. Sängerin Pauline Hahndorf warnte das Publikum jedenfalls mehrmals augenzwinkernd vor möglichen Zwischenfällen (»es könnte jederzeit was abspringen«), die sich dann aber nicht einstellen sollten. Im Gegenteil: Was Pauline Hahndorf mit Johannes Götz am Bass sowie Sebastian Fraas und Jonas Seidinger an den Gitarren hier zeigte, verdient allergrößten Respekt.
Mit ihrer glockenreinen, gleichzeitig zerbrechlich und melancholisch wirkenden Stimme interpretierte die junge Sängern geradezu grandios Welthits wie den 1934 von George Gershwin komponierten Song »Summertime – and the livin is easy« oder »Fever« von Peggy Lee. Emotional und zerbrechlich klangen die oft auch in Spanisch vorgetragenen Stücke, andererseits brachten die außergewöhnlichen Rhythmen mit Sieben-Achtel-Takten und Triolen auch immer wieder Spannung ins Spiel des Quartetts. Dabei trifft sich die Truppe, die sich mit ihrem sympathischen Auftritt sofort in die Herzen der Zuhörer spielte, erst seit einem Jahr zu Proben. Da ist noch einiges zu erwarten.
Und dann erlebte man drei Urgesteine des Berchtesgadener Rock. Wolfgang Kastner (Gesang und Gitarre), Hermann Grassl (Bass) und Rudi Pretzsch (Schlagzeug) hatten sich vor rund eineinhalb Jahren zur Formation »Das Konglomerat« zusammengeschlossen. Doch in der heimischen Musikszene mischen die drei bereits seit rund 50 Jahren kräftig mit. Zusammen wirkten sie in diesem halben Jahrhundert vermutlich bei über einem Dutzend verschiedener Bands mit.
Ihre Leidenschaft am Interpretieren alter und am Komponieren neuer Rocksongs haben sie sich bis heute bewahrt. So hörte man auch am Donnerstag eine Mischung aus Klassikern der Rockgeschichte und energiegeladenen Eigenkompositionen. Dazu gehörten »Ramble On« von »Led Zeppelin«, »Sympathy for the Devil« von den »Rolling Stones«, »Des Sandlers Flucht« von Wolfgang Ambros, »Heroes« von David Bowie oder auch »Wicked Game« (»I wanna fall in love with you«) von Chris Isaak.
Wolfgang Kastner widmete einen selbst geschriebenen Song dem im letzten Jahr verstorbenen Sänger Gary Rossington von der Südstaate-Band »Lynyrd Skynyrd« und einen anderen seinem ebenfalls erst kürzlich verstorbenen Spezl Toni. So mischten sich auch bei diesem Auftritt unter die weitgehend lauten, harten Klänge immer wieder auch leise Töne, die nicht nur den Interpreten, sondern auch dem Publikum Zeit zum Durchatmen gaben. Zwei Zugaben zauberten die »Konglomerat-Urgesteine« noch aus dem Hut, dann mussten sie zugeben, dass ihr Repertoire genauso erschöpft war wie sie selbst. Immerhin war es mit rund eineinhalb Stunden der längste Auftritt an diesem Abend.
(von Ulli Kastner)