Kulturpreis mit Weitblick
Berchtesgaden – Seit 36 Jahren gibt es die Auszeichnung: 1997 erhielten die Biermösl Blosn in Bad Reichenhall den Kulturpreis der Grünen im Bezirkstag Oberbayern – damals mit lautstarker öffentlicher Kritik. Dieses Jahr wurden nun zwei Berchtesgadener Initiativen mit dem »Grünen Wanninger« ausgezeichnet. Für Kulturförderung und gegen Lebensmittelverschwendung. Ludwig Hartmann, Vizepräsident im Bayerischen Landtag, hielt die Laudatio.
Daniela Spitzer mag es nicht sonderlich, auf großer Bühne zu stehen, wie jetzt im Kulturhof in Bischofswiesen, wo ihr ein Scheck über 1 000 Euro überreicht wird. Hier fand die Preisverleihung des »Grünen Wanninger« statt – zum mittlerweile 31. Mal. Der Kulturpreis soll dazu ermutigen, in seinem Tun nicht aufzugeben und Akzente zu setzen, heißt es in der Grünen-Fraktion Oberbayern.
Daniela Spitzer ist eine der Protagonistinnen, die nun geehrt wurde und die bereits im vergangenen Jahr in Berchtesgaden eine Idee ins Leben rief, die sich herumgesprochen hat zwischen Untersberg und Watzmann. Sie rettet Lebensmittel vor der Mülltonne und kocht daraus mehrmals die Woche für alle und jeden. Bis zu 30 Leute kommen an drei Tagen die Woche. Dazu hat sie den »MiTi« gegründet, den Mittagstisch, der unter dem Motto läuft: »Berchtesgaden iss mit uns.« Das Angebot ist kostenfrei.
Sie steht also lieber hinter dem Herd als auf der Bühne, weil sie dort nicht vor einem gut gefüllten Saal sprechen muss. Die Lebensmittelretterin kocht für die, die Hunger haben – und die es wertschätzen, dass Lebensmittel am Ende eben nicht im Müll landen. In den vergangenen Jahren hat sie rund zwei Tonnen Nahrung gerettet, die Supermärkte, Bäcker und Hotels weggeworfen hätten. Sie weiß das so genau, weil sie das Protokoll darüber führt. Die »geretteten« Lebensmittel hat sie an Verteilerstellen weitergegeben – oder für die Öffentlichkeit Gerichte gezaubert. »Es ist wichtig, auf die enorme Verschwendung von Ressourcen, in der Produktion, der Lieferung, aber auch im Vertrieb hinzuweisen – damit wir es alle in Zukunft besser machen können«, sagt Daniela Spitzer.
Dass Menschen nicht gerne alleine essen, weiß auch Friedhelm Schneider. Er sitzt im Gemeinderat für die Grünen in Ainring. Er unterstützt seine Frau beim Lebensmittel retten. Über Daniela Spitzer sagt er: »Es ist richtig und wichtig, sich mit der Verschwendung von Nahrung auseinanderzusetzen.«
Dass das alles auch ein Teil von Kultur und Engagement ist, steht für Ludwig Hartmann außer Zweifel. Der Grüne und Vizepräsident des Bayerischen Landtags sagt: »Kultur ist Krisenbewältigung.« Und er sagt auch: »Kulturförderung ist Demokratieförderung.«
Jakob Palm hat den Verein »Berchtesgadener Hut« gegründet. Kleine Künstler jeden Bereichs möchte er unterstützen. Der Verein soll ein Werkzeug sein, damit andere ihre Ideen verwirklichen können – in unterschiedlichen Bereichen. Der Aufbau eines Netzwerks und die Weitergabe von Know-how fallen darunter. Palms Meinung nach scheiterten bislang zu viele Ideen an der Umsetzbarkeit und zu viele Gruppen an der bürokratischen Organisation. Jakob Palm sagt: »Die Welt allein zu verändern, ist schwer, sie gemeinsam zu verbessern, ist schön.« Der Berchtesgadener Hut soll die Vorarbeit abnehmen. Im Zuge der Vereinsgründung gründeten sich in Berchtesgaden mehrere Kollektive, die seitdem Hand in Hand mit dem Verein zusammenarbeiten. Mit dem Wurzeltrieb, zwei Musikerinnen aus Marktschellenberg, werden seit geraumer Zeit »Open Stage«-Events ins Leben gerufen, bei denen unbekannte Künstler ihr Können zum Besten geben. Das Kollektiv »frei:händig« erweckte gemeinsam mit dem »Berchtesgadener Hut« das »Art:festival«, das am 26. Oktober, bereits in dritter Auflage, im AlpenCongress an den Start gehen und Kunsthandwerk präsentieren wird. »Kultur ist Demokratie und ein Auftrag«, weiß Jakob Palm.
Im Dunstkreis der Vereinsgründung hatte sich auch der Verein »Berchtesgaden gegen Rechts« formiert und auch die Queersteiger aus Berchtesgaden haben zusammengefunden. Melanie Dommenz und Moritz Maschinsky sind die Gründer letzteren Kollektivs, das für mehr Sichtbarkeit queerer Menschen auf dem Land wirbt. »Noch immer gibt es viele Leute auf dem Land bei uns, die sich aus Angst vor Ausgrenzung nicht outen und jeden Tag ein Leben leben, das sie eigentlich nicht leben wollen«, sagt Melanie Dommenz.
Mit dem »Grünen Wanninger« reihen sich die Berchtesgadener Initiativen in ein breites Spektrum Kulturschaffender ein, die in den vergangenen 36 Jahren geehrt wurden – von der Biermösl Blosn bis zu den Flüchtlingsinitiativen, von den Klinik-Clowns bis zur Umweltinitiative Pfaffenwinkel. »Jeder darf kommen und eine gute Idee mitbringen. Wir machen das und erzählen das gerne weiter«, sagt Jakob Palm. Das einzige, was zähle sei das Miteinander.
(Kilian Pfeiffer)